Design leitet, führt, weckt Emotionen, schafft Erfahrungen und setzt (soziale) Standards – speziell in unserer stark von Visualität und Bildästhetik geprägten Zeit. Dennoch unterschätzen die meisten Menschen den immensen Einfluss von Design auf Interessens-, Kauf- und somit Handlungsentscheidungen. Dabei ist es längst kein Geheimnis mehr, dass Designer sich Informationen über das Verhalten und die Wünsche der Menschen zu Nutze machen. Die negativen Auswirkungen von Design, das sich um kurzfristige Wirkung statt um einen verantwortlichen Dialog bemüht, werden stark unterschätzt. Das Plädoyer lautet daher, mit Responsible Design neue Wege zu gehen. Ziel muss sein, für Menschen, Marken und die Gesellschaft einen echten und nachhaltigen Mehrwert zu stiften.
Vom Nachhaltigkeitsreflex zum verantwortungsvollen Kommunikationsdesign
Spätestens seit der Klimawandel neue, und vor allem hohe Wellen schlägt, ist der Begriff der Nachhaltigkeit in aller Munde. Nachhaltigkeitskampagnen von Werbern und Marketern entladen sich geradezu entfesselt und in unüberschaubarer Vielfalt, wenn es um das Buhlen und die Gunst gesellschaftlicher Aufmerksamkeit und Akzeptanz geht. Unternehmen und Marken müssen im Zuge dessen erkennen, dass ein Vorbeiwirtschaften an gesellschaftlichen Interessen nicht langfristig zum Erfolg führen kann. Was zum Nachhaltigkeitsreflex zu verkommen droht, reicht aber nicht aus, um den Erhalt von Unternehmen zu sichern oder das Image gewinnbringend zu vermarkten. Responsible Design widmet sich dieser Herausforderung mit einer ganz neuen Herangehensweise und einer grundsätzlichen Abkehr von überkommenen Werten und Ideologien. Mit dem Anspruch, eine solide und dauerhafte Vertrauensbasis zu Stakeholdern und Verbrauchern aufzubauen und verantwortungsvolles Kommunikationsdesign zu etablieren.
Wer sagt, dass sich Verantwortung und Ästhetik nicht kombinieren lassen?
Lange war im Design die oft gebrauchte Formel „form follows function“ tonangebend, nach der sich die Form stets unterordnet. Responsible Design versucht hier entscheidend umzudenken: Mit „form meets content“ ist ein Ausdruck für verantwortungsvolles Design geschaffen. Gestalter, Redakteure und Designer sollen sich auf Augenhöhe begegnen und an der Verschmelzung von Design und Inhalt arbeiten. Interdisziplinäres Denken und Arbeiten mit dem Blick auf das Ganze wird Design im Sinne der Nachhaltigkeit revolutionieren und das turbokapitalistische „fire and forget“ durch eine intensive Beschäftigung mit den zu transportierenden Inhalten ablösen. Ein Ansatz, der auf langlebige Ziele setzt und die Folgen und die Wirkung unserer Kommunikation zu Gunsten kommender Generationen mitdenken möchte, ohne die ästhetische Komponente zu vernachlässigen.
Responsible Design kann die entscheidenden Marktvorteile liefern
Verantwortungsvolles Design spiegelt sich bereits in verschiedenen Aspekten wider, wie etwa bei Lebenszyklusanalyse, Ökosystemdynamik, nachhaltigem Design und verhaltensorientiertem Design. Die Leitgedanken sind klar ethisch, aber auch holistisch geprägt: Ist die Botschaft relevant? Ist das Design allgemein zugänglich und verständlich und ist es vereinbar mit ethischen Ansprüchen? Mit zentralen Fragen wie diesen geht man deutlich über den bloßen Anspruch ästhetischer Gesichtspunkte hinaus und möchte stattdessen soziale und ethische Aspekte in die Kommunikation integrieren.
Dabei geht es aber nicht nur um ethische Korrektheit, sondern um entscheidende Marktvorteile. Identitätsfragen, Werte und Identifikationsmodelle haben heute stark an Bedeutung gewonnen, weshalb die Kommunikation und Darstellung eines Unternehmens sowie dessen Image immens wichtig für den Erfolg ist. Damit macht sich Responsible Design zur Aufgabe, authentische Marken und Profile zu entwickeln, die ihren Wiedererkennungswert nicht allein über die ansprechende Form, sondern eben auch durch die glaubhafte Vermittlung von relevanten Inhalten generieren.
“Responsible Design ist das Fundament für authentische, nachhaltige Marken”
Statt kurzfristige – und meist auch kurzsichtige – Erfolge anzuvisieren, wird eine solide und dauerhafte Vertrauensbasis zu Stakeholdern wie Verbrauchern aufgebaut. Authentische und persönliche Nähe zum Verbraucher ist, wie man am Beispiel von Influencern und Testimonials sieht, für Unternehmen wichtiger denn je. Das Modell der persönlichen Anrede des Verbrauchers, der Transparenz und der Identifikationsfläche wird von Responsible Design nicht nur aufgegriffen, sondern weitergedacht. Dabei verbindet sich der ethische Anspruch mit den unternehmerischen Gedanken von Wirtschaftlichkeit und Effizienz. Angesichts der omnipräsenten Trends zu Nachhaltigkeit und Best Practice, wird verantwortungsvolles Design zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Denn um Nachhaltigkeitsprogramme der Unternehmen identifizieren zu können, liegt der Schlüssel wie so oft in der Kommunikation.
Strategisches Responsible Design
Das strategische Responsible Design beschreibt das Schaffen von Strukturen für eine verantwortungsvolle Kommunikation. Welche grundlegenden Arbeitsweisen und Prozesse müssen geschaffen, welche Stakeholder eingebunden werden? Traditionell ist das Arbeiten mit Design hauptsächlich in der Marketingabteilung verankert. Sie arbeitet mit Agenturen zusammen und beschäftigt sich intensiv mit dem eigenen Markenauftritt. Doch Markenarbeit umfasst heute viel mehr als nur die Entwicklung von Corporate Design, Werbekampagnen und Imagefilmen. Markenarbeit tritt heutzutage an viel mehr Stellen im Unternehmen auf, als man denkt. Responsible Design muss daher als gemeinsame Aufgabe verstanden werden.
Implementierung von Responsible Design in den Kommunikationsprozess
Bei einem Designprozess geht es darum, die Dinge im Kern zu verstehen und sich ihnen neugierig zu nähern. Dabei sind gesellschaftliche Transformationsprozesse, technologische Weiterentwicklungen, Marktentwicklungen, Ressourcenverbrauch und Produktionsprozesse genauso entscheidend, wie das adäquate zum Ausdruck bringen von Inhalten und Botschaften. Designer handeln nicht autonom, sie sind eingebettet in einen Prozess mit mehreren Akteuren. Die Umsetzung von Responsible Design muss daher von allen Beteiligten gelebt werden. Zum einen muss daher auf operativer Ebene für Einzelakteure eine Umgebung geschaffen werden, in der sie nach den Maßstäben von Responsible Design arbeiten können. Zum anderen muss Responsible Design auch in die strategische Kommunikationsplanung eingebunden werden. Hierfür müssen Unternehmen ihre Strukturen anpassen und neue Arbeitsweisen lernen. Praktische Ideen und Beispiele, wie all dies gelingen kann, liefert unter anderem das Handbuch „Glaubwürdige Unternehmenskommunikation“, das im SpringerGabler Verlag erschienen ist.
Wie profitieren Unternehmen von Responsible Design?
Responsible Design bietet für Marken und Unternehmen enormes Potenzial. Eine veränderte Stakeholder-Betrachtung führt zu einer umfassenderen Kommunikation und bietet neue Wege, innovativ zu kommunizieren. Auch in der heutigen Purpose-bestimmten Kommunikation ermöglicht Responsible Design die Leitlinien für ernsthafte Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Themen – denn Haltung zeigen geht erst, wenn man Haltung entwickelt hat. Dies wird sich auch positiv auf die Unternehmenskultur auswirken. Durch Responsible Design wird eine visuelle Kultur entstehen, die Mitarbeitern, Partnern und Kunden viel nahbarer ist. Sie werden emotional und nachvollziehbar mit der Marke in Verbindung treten und interagieren. Auch in der Glaubwürdigkeit des Unternehmens werden große Fortschritte erzielt, denn der bewusste Umgang mit Verantwortung wird auf allen Ebenen spürbar sein. So versteht sich Responsible Design als eine Kommunikation, in der sich Form und Inhalt konstruktiv vereinen. Nicht nur für das Unternehmen, sondern auch für Anwender und Designer verspricht das einen entscheidenden Mehrwert und eine positive, vor allem regenerative Wirkung.
“Responsible Design ermöglicht die ernsthafte Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Themen”
Leseempfehlungen zu Responsible Design
Neben unserem Handbuch „Glaubwürdige Unternehmenskommunikation“, das wir im Zuge der Gründung der ResCom Academy mit unseren Partnern geschrieben haben, empfehlen wir diese Bücher für einen guten Überblick zum Thema Responsible Design:
- Bowles, Cennydd: Future Ethics. NowNext Press, 2018.
- Kuang, Cliff & Fabricant, Robert: User Friendly: How the Hidden Rules of Design are Changing the Way We Live. Work & Play, 2020.
- Papanek, Victor: Design for the Real World: Human Ecology and Social Change. Thames & Hudson, 2019.
- Peter, Ruben: The Politics of Design: A (Not So) Global Design Manual for Visual Communication. BIS Publisher, 2016.
- Peters, Tom: Design! DK, 2005.
- Sammer, Petra: Visuelles Erzählen in PR & Marketing. O’Reilly, 2015.
Responsible Design: So geht’s nicht
Warum Marken verantwortungsvoll gestalten sollten, zeigt unsere Linksammlung. Im Internet stellt die Community schlechtes Design an den Pranger. Das kann verhängnisvoll für Marken sein. Denn das Internet vergisst (fast) nie.
- https://www.reddit.com/r/CrappyDesign/
- https://www.deceptive.design/hall-of-shame
- https://hallofshame.design/
Was denkst du?
Was sind deiner Meinung nach die Herausforderungen und die Chancen von Responsible Design? Schreib uns an redaktion@design-hoch-drei.de
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